Nationale Egoismen überwinden, einheitliche Standards vereinbaren, Fluchtursachen bekämpfen: Bernd Lange zur europäischen Flüchtlingspolitik
„Besuchen Sie Europa, so lange es noch geht“, meinte der Europaabgeordnete Bernd Lange sarkastisch in Ablehnung an einen Hit der 1980er Jahre. Die Europäische Union sei in der Flüchtlingsfrage uneins wie nie zuvor und drohe daran zu scheitern, erklärte Lange im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung der SPD-Ortsvereine Döhren-Wülfel, Kirchrode-Bemerode-Wülferode und Kleefeld-Heideviertel am 17. September.
Zehn Punkte nannte der EU-Parlamentarier, die zur Neugestaltung der Flüchtlingspolitik notwendig seien. Zunächst (1) müsse es einen EU-weiten Dialog geben, um die nationalen Egoismen in der Flüchtlingspolitik zu überwinden. Ziel müsse es (2) vorrangig sein, so Lange weiter, sich auf einheitliche Standards bei der Gewährung von Asyl, beim Asylverfahren und bei der Unterbringung von AsylbewerberInnen zu verständigen. Dazu gehöre auch eine Verständigung über die Rückführung abgelehnter AsylbewerberInnen und eine Unterstützung ihrer Re-Integration in ihren Heimatländern. Zugleich müsse sich die EU (3) auf eine Liste sicherer Herkunftsländer einigen.
Die gerechte Verteilung der Asylsuchenden und Flüchtlinge, die Lange als vierten Punkt benannte, führe in ihrer Konsequenz zur Abschaffung der Dublin-Verträge. Laut „Dublin“ müssten Asylsuchende in jenem EU-Land verbleiben, in dem sie erstmals den Boden der Europäischen Union betreten haben. Mit dieser Forderung stellte Lange sich deutlich gegen die Position der Bundesregierung, die am selben Abend die strikte Anwendung der Dublin-Regelungen forderte.
Damit Flüchtlinge Europa überhaupt sicher erreichten, müssten (5) die Rettungsmissionen im Mittelmeer ausgeweitet werden. Zugleich müssten (6) die EU-Außengrenzen besser gesichert werden, um einerseits Schleppern und Schleusern das Handwerk zu legen und andererseits die Freizügigkeit innerhalb des Schengen-Raums zu gewährleisten bzw. wiederherzustellen.
Für Deutschland wie für alle anderen EU-Staaten forderte Lange (7) ein Einwanderungsgesetz, mit dem Kriterien für jene Zuwandernde festgelegt werden könnten, die keine Chance auf Asyl hätten.
Grundsätzlich, so Lange achtens, hätten der Gesetzgeber wie die gesamte Gesellschaft die rechtlichen und materiellen Grundlagen dafür zu schaffen, dass Flüchtlinge und andere Zuwandernde schnell durch Bildung, Ausbildung und Zugänge zum Arbeitsmarkt in die Gesellschaft integriert werden könnten.
All diese Aufgaben kosten Geld, wie Lange (9) wenig überraschend ausführte. Das gelte für die innerstaatlichen Aufgaben (wie Unterbringung und Integrationsmaßnahmen) ebenso wie für die außenpolitischen Notwendigkeiten (wie die Re-Integration).
Vor allem aber gelte dies für die zehnte Aufgabe: Fluchtursachen zu bekämpfen. Hier sei die EU-Außen- und Wirtschaftspolitik gefordert.
Zufrieden äußerte Lange sich darüber, dass Europäisches Parlament und Europäische Kommission sich in den vorgenannten Forderungen weitestgehend einig seien. Torpediert werde dieser Schulterschluss vom EU-Ministerrat, dem letztlich die Entscheidungen in der Flüchtlingsfrage obliegen. Der Ministerrat indes werde just von jenen nationalen Egoismen dominiert, die es zu überwinden gelte.